Bodies (Panini)

Mai 22, 2024
Bodies (Panini Comics)

Longharvest Lane im Londoner East End. Schon immer nicht die feinste Adresse. Dort wird eine übel zugerichtete, nackte Leiche gefunden, die Rätsel aufgibt. Und zwar der Polizistin Shahara Hasan im Jahr 2014. Wie auch Inspector Edmond Hillinghead 1890. Oder Charles Whiteman, der im Jahr 1940 ermittelt. Und irgendwie auch Maplewood, die 2050 womöglich ebenfalls Polizistin ist. Tatsächlich: ein Mordopfer, das im Laufe der Jahre viermal in unterschiedlichen Epochen auftaucht, und das immer am gleichen Ort. Wie kann das sein? Und warum? Und was oder wer steckt hinter dem Mysterium, von dem die Ermittler freilich anfangs nichts ahnen?

Eine faszinierende Ausgangslage, die neugierig macht, will man doch als Leser und Leserin schnell gemeinsam mit den ermittelten Detectives das Geheimnis entwirren. Doch der 2021 verstorbene Autor Si Spencer tut einem lange Zeit nicht den Gefallen. Ganz im Gegenteil. Er vertieft das Mysterium immer weiter, wobei die 2050er Episode durchgehend Ratlosigkeit hervorruft, ehe sie zu einer Art Zünglein an der Waage wird. „Bodies“, in insgesamt acht Heften 2015 bei DC erschienen, war eine späte Vertigo Reihe (das Label schloss 2020), und wurde jüngst als gleichnamige Netflix Serie adaptiert. Das Grundmotiv behielt man bei, ansonsten wurden große Teile der Story geglättet, neu gewebt, anders auserzählt und um zahlreiche Subplots und Charaktere ergänzt, die im Comic nicht vorkommen. Damit wird auch einem großen Teil der Interpretation, die man der Comic-Fassung angedeihen kann, der Garaus gemacht.

Aber hier wie da haben die Detectives Lasten zu tragen und verbeißen sich aus den unterschiedlichsten Gründen in den Fall: Hasan ist eine Muslimin, die sich im Job ständig beweisen muss und der ein Kollege unverhohlen Avancen macht. Hillinghead, der eigentlich die Ripper Morde aufklären soll, versucht vergeblich seine Homosexualität zu verbergen. Charles Whiteman, der eigentlich Weissman heißt, flüchtete aus Polen vor den Nazis und ist durch und durch korrupt. Nur Maplewood fällt hier aus der Reihe. Ihre Episode, die 2050 spielt, bleibt unergründlich und verliert sich in Andeutungen, die lange Zeit nicht zuordenbar bleiben.

Jede der vier Epochen ist von einer anderen Zeichnerin, bzw. anderem Zeichner in Szene gesetzt. Was naturgemäß stilistische Unterschiede, die jedoch gut zur jeweiligen Ära passen, mit sich bringt. Dean Ormston, inzwischen bekannt durch „Black Hammer“, ist für die viktorianische Episode verantwortlich und zeichnet fast komplett in Schwarz-Weiß, in einem Stil der an Eddie Campbell aus „From Hell“ erinnert und die 2050er Episode, von Tula Lotay gestaltet, die gerade mit „Barnstormers“ bei Splitter reüssiert, gestaltet ihre Panels gerne in von Lee Loughridge kolorierte Neonfarben. Wobei die von Phil Winslade (1940) und Meghan Hetrick (2014) gezeichneten Episoden vergleichsweise konventionell ausfallen. Somit eine spannende, wenngleich auch abstrakte Mystery-Miniserie, bei der es tatsächlich von Vorteil ist, wenn man die Netflix-Adaption (noch) nicht kennt. (bw)

Bodies
Text & Story: Si Spencer
Bilder: Dean Ormston, Phil Winslade, Meghan Hetrick,
Tula Lotay, Lee Loughridge (Farben)
220 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Comics
26 Euro

ISBN: 978-3-7416-3831-2

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