Caught somewhere in time: Shawn Thacker lebt in den USA der 60er Jahre, am Vorabend der Bürgerrechts- und Integrationsbewegung, mit seiner Frau Elise und Sohn Tommy. Thacker fällt gerne durch treffsichere Aussagen zur Zukunft auf und scheint Sport und Politik gleichermaßen vorhersagen zu können. Im Keller seines Hauses lauert ein finsteres Geheimnis, die Tür ist verbarrikadiert, und Tommy ist es strengstens untersagt, nach unten zu gehen. Shawn scheint irgendwie fatalistisch, auch seine Frau fürchtet Schlimmes, was dann prompt auch eintritt: Shawn findet die Kellertüre aufgebrochen, seine Frau und seinen Sohn liegen schwer verletzt daneben, und im Krankenhaus muss Shawn die bittere Wahrheit akzeptieren, dass für Tommy wohl jede Hilfe zu spät kommt.
Urplötzlich wird Shawn, der offenbar ganz genau weiß, was hier vor sich geht, durch die Zeit katapultiert und landet in einem dystopischen Zukunftsszenario. Dort geht er zur Bewusstseinsagentur „Other Side“, die jegliche Vision anbietet, unter anderem auch ein kurzes Wiedersehen mit der Familie, dem er aber widersteht. Immerhin ist er auf der Jagd nach seinem Kontrahenten Kang Turing, der offenbar ebenfalls durch die Zeit reisen kann. Kang hatte eine zerstörerische Maschine im Zeitstrom platziert, gegen die Shawn ins Rennen geschickt wurde. So rasen die Kontrahenten durch die Zeit – und treffen in der düsteren Zukunft alsbald aufeinander. Los geht die wilde Hatz durch unterschiedlichste Epochen, jeweils ausgelöst durch einen Mord, der einen weiteren Zeitsprung auslöst – bis Shawn schließlich in einem urzeitlichen Dschungel landet…
High Concept, das trifft wohl zu auf diese Grundidee, die Mattson Tomlin (u.a. beteiligt am düsteren Filmepos „The Batman“) hier ausrollt und als erstes komplett „creater owned“ Projekt gemeinsam mit Lee Bermejo beim amerikanischen Verlag Boom! Studios umsetzen konnte. Die Story der feindlichen Zeitagenten, die durch die Epochen jagen und dabei Schicksalsschläge der besonderen Art verkraften müssen, verbindet zwar durchaus übliche Nuancen der Zeitreisethematik (die Protagonisten wissen vorher, was passiert, und stecken damit im titelgebenden Teufelskreis fest), spart aber die bekannten Paradoxon-Überlegungen (was geschieht, wenn die Vergangenheit verändert wird?) zugunsten einer düsteren Terror-Atmosphäre aus.
Spektakulär ist dabei die optische Umsetzung, die pro Zeitepoche wechselt und vor allem in den einleitenden Szenen der rassengetrennten USA in einer photorealistischen Manier, die Tomlin als „hyperreal“ bezeichnet, daherkommt (Zeichner Lee Bermejo ist u.a. für „Batman: Damned“ verantwortlich). Die Zukunftssequenzen variieren dann gekonnt die Blade Runner-Ikonographie, bevor dann die wilde Fahrt durch den Krieg Nordstaaten gegen Südstaaten, Wildwest-Momente bis hin zur Dinosaurier-Urzeit jeweils in passender Optik erscheinen. Man darf mehr als gespannt sein, wie das auf drei Bände ausgelegte Epos und das Duell der beiden Zeitbeherrscher ausgeht. Bei Panini erscheint der Band hochwertig aufgemacht in großformatigem Hardcover. (hb)
A Vicious Circle – Ein Teufelskreis, Band 1
Text & Story: Mattson Tomlin
Bilder: Lee Bermejo
60 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Comics
16 Euro
ISBN: 978-3-74163-820-6
