Indians! (Splitter)

Juli 1, 2024
Indians! Der dunkle Schatten des weißen Mannes (Splitter Verlag)

„Indianer!“ Wie oft hörten wir den Ausruf in klassischen Westernfilmen. Ein Ausruf, der meist nichts Gutes verhieß, der oft tödliche Konfrontationen nach sich zog für die weißen Siedler, Soldaten oder langen Trecks. Gepaart mit Ignoranz und Unverständnis für die fremden Kulturen der indigenen Völker, denn schließlich war nur ein toter Indianer ein guter Indianer. Doch letztendlich mussten sich diese geschlagen geben, erfuhren ein trauriges Schicksal und wurden in unwirtliche Reservate eingepfercht, mit Armut, Leid und Elend als Folgen. Western-Experte Tiburce Oger („Ghost Kid“, „Buffalo Runner“) hatte in seiner ersten Anthologie „Go West Young Man“ die Eroberung des Westens durch die Weißen geschildert. Nun beschreibt er eben diese erneut, aber aus diesmal aus der gegenüberliegenden Perspektive, nämlich aus der Sicht der Indianer.

Auch bei seiner zweiten Western-Anthologie kann Oger wieder auf eine illustre Zeichner-Mannschaft zurückgreifen. Wieder sind viele davon Genre-erfahren und echte Schwergewichte im Bereich der Neunten Kunst. Fünfzehn Episoden schildern, wieder chronologisch angeordnet und schlaglichtartig, das Leben der amerikanischen Ureinwohner, die Einflüsse durch die Weißen, gute wie schlechte (Pferde; Feuerwaffen und -wasser) und schließlich die (letztendlich aussichtslosen) Konflikte und Demütigungen, die teilweise in gnadenlose Verfolgung mündeten. Eingerahmt werden die einzelnen Kapitel durch eine kurze Episode, die im Jahr 1922 spielt, in der ein uralter Indianer auf dem Rummel als Attraktion und Kuriosität zur Schau gestellt wird, was tatsächlich an den Anfang und den Schluss der Lone Ranger Verfilmung  erinnert.

War in der ersten Anthologie noch die goldene Taschenuhr das verbindende Glied zwischen den einzelnen Episoden, ist es nun der Große Adler aus der Indianer-Mythologie, der die Episoden und Geschichten mit Zitaten verknüpft. Und wie im Vorgänger treten wieder einzelne Personen in verschiedenen Geschichten auf, wie beispielsweise ein Soldat, der sich später als Beamter für Indian Affairs für die Indigenen einsetzt. Oder der Cheyenne Two Bones, der im Laufe seines Lebens diverse Schicksalsschläge hinnehmen muss. Interessant, dass Tiburce Oger immer wieder historische Begebenheiten oder Personen in die Geschichten miteinbezieht, die damit nicht selten einen dokumentarischen Charakter aufweisen. So treffen wir auf den späteren neunten US-Präsidenten William Henry Harrison, den Indianer-Portraitmaler George Catlin (bzw. dessen Werke) oder die Kriegerin Lozen.

Zu Beginn, wir schreiben das Jahr 1540, steht eine frühe, natürlich tödlich verlaufende Begegnung mit den Neuankömmlingen aus der alten Welt in Form spanischer Konquistadoren, bunt in Szene gesetzt von Dominique Bertail („Ghost Money“). Dann sehen wir, wie die Indianer die vorher unbekannten Pferde („Große Hunde“ genannt) für sich entdecken, was u.a. die Jagd auf Bisons völlig verändert, deren Urform von Corentin Rouge („Sangoma“, „Rio“) geschildet wird. Später wird eine Irokesen-Prinzessin an den Krieger eines feindlichen Stammes verheiratet – auch ein französischer Waldläufer ehelicht eine Indianerin (von Mathieu Lauffray und Félix Meynet wunderbar gezeichnet). Es folgen die ersten Konflikte mit den Europäern, die sich immer mehr Land nehmen, kuriose Aspekte, wie „angepasste“, vermögende Indigene, die Sklaven halten, oder eine grausame Jagd auf flüchtige Indianer, geschildert aus einer ungewohnten Perspektive.

Mit Christian Rossi, Jef, den Altmeistern Michel Blanc-Dumont und Derib liefern weitere prominente Zeichner Episoden ab, ehe Paul Gastine den Band in filigranen Panels abschließt. Sein Greis, der sich Häuptling White Wolf nannte, behauptete übrigens, fast 140 Lenze zu zählen und war noch zu Lebzeiten tatsächlich eine regionale Berühmtheit. Die bei uns erschienen Western-Bände und Serien der an diesem Band beteiligten Zeichner haben wir unten samt Verlagen und Rezensions-Links (falls von uns besprochen) aufgeführt. Tiburce Oger „anthologiert“ übrigens munter weiter: „Gunmen of the West“ – ein weiterer Band der losen Reihe ist in Frankreich bereits erschienen und wird für den Oktober diesen Jahres bei Splitter fest eingeplant. Wir freuen uns drauf. (bw)

Indians!
Text & Story: Tiburce Oger
Bilder:
Paul Gastine (Bis zum bitteren Ende – Splitter)
Dominique Bertail (Mondo Reverso – Schreiber & Leser)
Hugues Labiano/Jack Manini (Der Stern der Wüste 3+4 – Panini)
Mathieu Lauffray
Félix Meynet (Sauvage-– Salleck)
Jef (Geronimo – Splitter)
Benjamin Blasco-Martinez (Catamount – Splitter)
Corentin Rouge (Gunfighter als Kolorist – Splitter)
Christian Rossi (W.E.S.T., Jim Cutlass, Der Planwagen des Thespis, Deadline, Golden West – Piredda, Carlsen/Kult, Splitter)
Dimitri Armand (Sykes, Texas Jack – Splitter)
Michel Blanc-Dumont/Jocelyne Charrance (Blueberry, Cartland – Egmont ECC, Splitter)
Derib (Buddy Longway, Red Road, Yakari – Egmont ECC, Carlsen, Salleck u.a.)
Ronan Toulhoat/Jack Manini (Wild West, bisher nicht auf Deutsch)
Laurent Astier (Die Viper – Splitter)
Laurent Hirn
Emmanuel Bazin
120 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
25 Euro

ISBN: 978-3-98721-108-9

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